Deutsche Startups. Ausfallwahrscheinlichkeit vs. hohe Bewertung (1) – Das Rating

5 Juli 2017 Geschrieben von Transvendo Investments Crowdinvesting

Zu den umstrittensten Anlageklassen in Bezug auf Chancen und Risiken zählen aus Investorensicht die Startups bzw. Existenzgründungsunternehmungen. Wie bewertet man Startups adäquat? Und wie errechnen sich ihre Wachstumschancen realistisch – sowie für den Investor vertretbar?

Begriffserklärung „Rating“ – Was ist das?

Bei einem Finanzrating wird die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens betrachtet. Banken nutzen Ratings vor einer Kreditvergabe zur Beurteilung der Bonität und Ausfallwahrscheinlichkeit des jeweiligen Emittenten. Bei einem Rating werden sowohl harte Faktoren, wie Finanzkennzahlen, als auch weiche Faktoren, wie Managementqualität, Produkt und Märkte etc., berücksichtigt. Alle Faktoren ergeben am Ende eine sogenannte Rating Note, welche über das Wohl und Wehe von Unternehmen in der Finanzbranche entscheidend sein können. Professionelle Investoren nutzen zur Ermittlung von Risiken bzw. Bonitäten neben eigenen Systemen auch Ratingagenturen, welche die Unternehmen sehr genau betrachten.

Der nachfolgende Ratingansatz für Existenzgründer und Startups basiert auf den theoretischen Grundlagen von Professor Dr. Ottmar Schneck, Professor für Banking, Finance & Risk an der European Business School (ESB) Reutlingen. Er ist Dozent und Beirat in Gremien verschiedener Hochschulen, Stiftungsrat gemeinnütziger Stiftungen, Lehrbuchautor sowie Mitglied des Vorstandes des Verbandes der Ratinganalysten e.V. (BdRA). Als ausgewiesener Experte zum Thema Bankenregulierung in nationalen und internationalen Organisationen hat er ein theoretisches Modell zur Bewertung junger Unternehmen, ab ihrer Gründungsphase, entwickelt, welches die Basis der nachfolgenden Ausführungen darstellt.

Ratings von jungen Unternehmen

 

„Da herkömmliche Ratingsysteme hauptsächlich auf der Analyse historischer Daten aus den Bilanzen der letzten drei Geschäftsjahre basieren, ist das Rating von Existenzgründern mit den vorhandenen Methoden nicht möglich. Banken sind aus diesem Grunde derzeit nicht oder nur teilweise in der Lage, ihr Risiko bei der Finanzierung von Unternehmensgründungen adäquat zu bestimmen und ziehen sich immer weiter aus der Gründungsfinanzierung zurück. In der Praxis hat dieses Problem bereits heute zu einer deutlichen Verschlechterung der Finanzierungssituation für Unternehmensgründungen geführt, wobei sich der negative Trend aufgrund der immer höheren Risikosensibilität der Banken zukünftig noch weiter zu verstärken scheint.“

„Aus den genannten Gründen wird es immer wichtiger, Ratingsysteme zu entwickeln, die die Bewertung des zukünftigen Erfolges von Existenzgründungen und dadurch die Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit der Gründungsfinanzierung ermöglichen. Generell lässt sich ein Ratingsystem in zwei Bewertungsbereiche unterteilen. Der erste Teil ist die quantitative Unternehmensbewertung, meist auf Basis von Jahresabschlussdaten. Der zweite Teil sind die qualitativen Fragenstellungen, die in allen Ratingsystemen umso gewichtiger in die Ratingnote einfließen, je besser die quantitativen Werte sind.“ (Schneck)

 

Struktur eines möglichen Existenzgründerratings und die Gewichtung der Unterbereiche:

rating-startups-1.jpg

 

Während der quantitative Bereich sich hauptsächlich auf Angaben zum Eigenmitteleinsatz beschränken muss, sollte sich der große Bereich der qualitativen Untersuchung aus vier relevanten und für Gründer messbaren Kriterienbereichen zusammensetzen.“ (Schneck)

Prof. Schneck hat dabei folgende 4 Punkte aufgestellt:

Managementqualität (40%), da gerade in der Anfangsphase der Erfolg des Unternehmens von der Fachkompetenz, von der Branchenerfahrung und insbesondere von den Führungsqualitäten der Gründer abhängig ist.

Unternehmensexterne Faktoren (20%), wie: Alleinstellungsmerkmale des Produktes bzw. der Dienstleistung, Branchenentwicklung, Wettbewerbssituation, Kunden- und Lieferantenstruktur oder Sonstige externe Risiken.

Angaben zur Unternehmensplanung und Steuerung (15%), wie: Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit der Investitions-, der Finanz-, der GuV- und der Liquiditätsplanung, die Qualität des Controllings in Bezug auf Szenariorechnungen und Risikoanalysen.

Qualitative Unternehmensbewertung (10%) befasst sich vor allem mit der vom Gründer schriftlich ausformulierten Unternehmensstrategie. Hier werden speziell der Marketingplan, das Vertriebskonzept und die Wachstumsstrategie hinsichtlich ihrer Qualität und Umsetzbarkeit beurteilt.

Wie verändert sich mit zunehmendem Unternehmensalter die Gewichtung der harten und weichen Faktoren?

Mit zunehmendem Unternehmensalter nimmt auch die Gewichtung der weichen Faktoren (Qualitative) im Zeitstrahl ab bzw. verschiebt sich in Richtung harte Fakten. In der nachfolgenden Graphik von Prof. Schneck sehen Sie wie sich die Bewertungsfaktoren, mit zunehmendem Unternehmensalter, im Vergleich zum Existenzgründerrating, verschieben.

Modell eines Übergangs vom Existenzgründer- zum Geschäftskunden-Ranking:

rating-startups-2.jpg

Fazit zum Rating junger Unternehmen

Etablierte Ratingagenturen, wie z.B. die Crefo, tun sich bei Startups extrem schwer, entsprechende Bonitätsaussagen zu treffen. Gerade unter dem Aspekt der betrachteten Rechtsformen gibt es massive Unterschiede in den Bonitätsaussagen. Eine UG als Rechtsform führen die meisten Ratingagenturen erst gar nicht in Ihren Modellen auf und können (wollen) somit auch keine Aussagen zur Bonität des Unternehmens treffen.

Für Crowd-Investoren ist ein solches Ratingmodell kaum zu erarbeiten, da Sie nicht über die o.g. Detailinformationen zum Unternehmen verfügen. Business Angels die meistens näher am Unternehmen dran sind haben die Möglichkeit sich ein entsprechendes Bild des potentiellen Investments zu machen und können somit Ihre Risiken besser einschätzen.

Für eine Crowdinvesting-Plattform wie Transvendo stellt dies natürlich eine zusätzliche Herausforderung dar, der wir mit eigener Sorgfalt bei der Betrachtung der Unternehmensinformationen begegnen müssen.